Eine Geschichte von Kirsten Vogel, mit Illustrationen von Larisa Lauber, erschienen bei Loewe.
Der kleine Biber Eddi betrachtet traurig sein Spiegelbild im Wasser. Mit der Zahnbürste in der Hand sitzt er im Biberbau. Draußen geben die Frösche ein Konzert. Eddi lauscht und seufzt. Die Frösche haben es gut, die musizieren zusammen. Eddi fängt an, seine Zähne gründlich von allen Seiten zu schrubben, da kommt Mama Biber in die Biberburg.
„Huch, Eddi, bist du schon müde?“
Eddi nickt. „Ich gehe ins Bett.“
„Aber es ist noch hell“, sagt Papa Biber von draußen, der mit einigen Zweigen eine undichte Stelle der Biberburg repariert.
»Wollen wir nicht vor dem Schlafengehen zusammen einen Baum fällen?«
„Ich habe keine Lust“, mault Eddi. Er spuckt die Zahnpasta aus und spült das Maul.
Mama Biber legt ihm die Pfote auf die Stirn. „Wirst du krank?“
Eddi zuckt mit den Schultern.
Papa Biber kommt besorgt in den Bau. „Du willst doch sonst immer abends spielen. Was ist los?"
Eddi legt sich in sein Bett und zieht die Decke über den Kopf. „Nichts ist passiert, ich bin einfach nur müde.“
Seine Mama zieht die Decke ein Stück zurück, sodass Eddis Schnauze zum Vorschein kommt. „Wenn nichts passiert ist, kannst du gar nicht so müde sein."
„Hast du heute mit Charlie gespielt?“, will Papa wissen.
Eddi schließt die Augen und zieht die Decke so weit über den Kopf, dass unten der Biberschwanz herausguckt. „Charlie wollte heute lieber allein spielen. Ich glaube, sie mag mich gar nicht mehr."
„Es ist total okay, wenn Charlie auch mal allein oder mit einem anderen Biberkind spielen will.! Mama streckt ihre Pfote unter die Decke und streichelt Eddis Wange. „Und das heißt nicht, dass sie dich nicht mag."
„Man kann gar nicht alles nur mit einem Biber machen“, bestätigt Papa. „Ich spiele Karten mit Onkel John, aber Waldspaziergänge machen mit Fritz mehr Spaß."
Mama nickt. „Und ich nage am liebsten ganz allein an dicken alten Eichen. Dafür finde ich es schön, mit Fanny schwimmen zu gehen."
Eddi öffnet ein Auge. „Und was macht ihr gern zusammen?“
„Besonders schön ist es, wenn wir Zeit mit dir verbringen, Eddi-Schatz!", sagt Mama.
Papa nickt. „Komm, Eddi, wir schwimmen noch eine Runde.“
Eddi schlägt die Decke zurück. „Na gut.“
Nacheinander gleiten die drei aus ihrem Bau ins Wasser. Sie lassen sich über den Waldsee treiben und kommen an den großen Seerosenblättern vorbei, wo gerade das Froschkonzert endet. Die Frösche verbeugen sich und Fuchs Mika und Hase Hanna klatschen am Ufer Beifall. Dann verschwinden sie im dichten Unterholz. Die Frösche hüpfen von den Seerosenblättern ins Wasser. Nur der kleine Frosch Hanno bleibt sitzen.
„Guckt mal, diesen Baum dahinten, den würde ich gern annagen", ruft Mama Biber und klettert aus dem Wasser.
„Ich auch.“ Papa Biber folgt ihr. „Kommst du mit, Eddi?“
„Gleich, Papa.“ Eddi beobachtet Hanno, der sein Spiegelbild im Wasser betrachtet. Dann fängt der Frosch an, leise zu quaken. Nach einer Weile wird das Quaken lauter. Eddi lauscht gespannt.
Hanno trifft nicht jeden Ton, aber er singt und quakt aus voller Kehle. Eddi dreht sich auf den Rücken und klatscht.
„Hast du mir etwa zugehört?“, fragt Hanno erschrocken.
Mit der Schnauze stupst Eddi das Seerosenblatt an, auf dem Hanno sitzt. „Ja, das war sehr schön.“
Hannos grüne Wangen färben sich rosa. „Danke, Eddi, das ist nett." Er hüpft von einem Seerosenblatt auf das nächste. „Eigentlich quake ich lieber allein, ohne Publikum."
Eddi kratzt sich am Kopf. „Warum?“
„Ich kann so besser in mich hineinhören“, erklärt der Frosch.
„Und das macht mich glücklich. Außerdem fällt dann keinem auf, wenn ich schief singe."
„Dann lasse ich dich jetzt in Ruhe quaken.“ Eddi verabschiedet sich von Hanno. Er schwimmt weiter zu seinen Eltern, die beide an einem Baumstamm nagen.
„Ist es okay, wenn ich noch ein bisschen durch den Wald streife, um zu sehen, was die anderen so machen?"
Mama Biber lächelt. „Klar, aber komm zurück, wenn es dunkel wird."
„Mache ich!“ Eddi läuft los. Er blinzelt durch die blättrigen Baumkronen in den Himmel, der sich von der untergehenden Sonne bereits orange färbt.
Ein lautes TOK TOK TOK dringt durch den Wald. Eddi folgt dem Geräusch neugierig. Der weiche Waldboden federt seine Schritte ab. Das Klopfen wird lauter und Eddi entdeckt Specht Sigi. Mit rasender Geschwindigkeit hämmert er seinen Schnabel in die Baumrinde.
„Klopfst du ganz allein?“, ruft Eddi dem Specht zu. „Wir Biber nagen oft zusammen an einem Baum."
Sigi hält inne und sieht nach unten. „Zu zweit geht das nicht so gut, da kommt man sich immer in die Quere."
Eddi überlegt. „Ja, stimmt, ihr hämmert so schnell. Das leuchtet mir ein."
Er verabschiedet sich von Sigi und läuft weiter. Jetzt hört Eddi Biber ein leises Nagen und Schmatzen. Hinter einem Baumstamm entdeckt er die kleine Maus Ida. Sie knabbert an einer Nuss. Eddi beobachtet sie eine Weile. „Schmeckt es?“, fragt er.
„Ja, möchtest du mal probieren?“, piepst Ida.
Eddi schüttelt den Kopf. „Nein, danke. Bist du ganz allein?“
Die kleine Maus zuckt mit den Schultern. „Ja. Ich habe gerade über den Tag nachgedacht. Das mache ich oft."
„Und was denkst du so?“, möchte Eddi wissen.
„Ich frage mich, was an diesem Tag gut war und was hätte besser sein können."
„Und was war gut?“ Eddi guckt Ida gespannt an.
„Hier zu sitzen und den Sonnenuntergang anzuschauen, das ist schön", sagt die kleine Maus. „Und mit dir zu reden.“
„Und was war nicht so gut?“, hakt Eddi vorsichtig nach. Die kleine Maus hört auf zu kauen und denkt nach.
„Mein Freund Max war sauer, als ich vorhin nicht mit ihm Verstecken spielen wollte." Ida lässt den Kopf hängen. »„Ich hatte halt einfach keine Lust."
„Magst du ihn denn trotzdem noch?“, fragt Eddi.
Ida nickt. „Natürlich, er ist der beste Freund, den man haben kann. Aber ich hab nicht immer auf das Lust, was er machen will."
„Wenn du ihm das sagst, versteht er dich bestimmt“, schlägt Eddi vor.
„Das ist ein guter Tipp, Eddi.“ Ida steckt sich den Rest der Nuss in den Mund und läuft los.
Eddi ist erleichtert, denn vielleicht mag ihn seine Freundin Charlie ja auch noch gern und wollte heute wirklich einfach nur mal allein sein.
Langsam wird es immer dunkler im Wald. Jetzt muss Eddi sich beeilen, denn er möchte vor dem Schlafengehen schnell bei Charlie vorbeischauen.
Als er bei ihr ankommt, putzt sie sich gerade die Zähne. „Huch, Eddi, was machst du denn hier?"
„Ich wollte dir nur sagen, dass ich nicht traurig oder beleidigt bin, weil du heute allein spielen wolltest", sagt Eddi. „Ich weiß jetzt, dass man auch mal allein sein kann."
„Aber manche Dinge sind auch lustiger zu zweit“, sagt Charlie und grinst. Sie schnappt sich den Zahnputzbecher, legt den Kopf in den Nacken, gurgelt kurz und lässt eine kleine Wasserfontäne aus dem Mund schießen. „Jetzt du.“
Eddi schnappt sich den Becher, gurgelt und lässt dann einen kleinen Nieselregen auf Charlie nieder.
Sie lacht. „Danke für die Dusche.“
Eddi merkt, dass es schon fast stockdunkel ist. „Ich muss nach Hause."
„Wollen wir dann morgen noch mal zusammen Fontänen gurgeln? ", fragt Charlie.
„Au ja!“ Eddi wünscht seiner Freundin eine gute Nacht und läuft nach Hause, wo Mama und Papa auf einem Baumstamm sitzen und in den Himmel gucken.
„Gut, dass du jetzt da bist, langsam haben wir uns Sorgen gemacht", sagt Papa Biber.
„Wollen wir zusammen auf eine Sternschnuppe warten?", schlägt Mama vor.
Eddi schüttelt den Kopf. „Ich bin jetzt wirklich müde und will ins Bett. Und macht euch keine Sorgen mehr, mir geht es wieder gut." Eddi gibt seinen Eltern einen Gutenachtkuss und schlüpft in sein gemütliches Bett. Er denkt darüber nach, dass es schön sein kann, auch mal allein zu sein. Dann kann man nämlich besser denken. Oder ein Loch in den Baum klopfen. Oder quaken. Dass er das jetzt verstanden hat, war das Beste am heutigen Tag.
Und morgen wird ganz sicher auch wieder ein toller Tag, denn dann kann er wieder mit Charlie spielen.
Eddi fühlt sich jetzt ganz wohl. Er genießt die Ruhe, schließt die Augen und schläft ein. Schlaf schön, Eddi.
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