Vorlesen verbindet ... gegen Langeweile: eine Geschichte von Alexander Steffensmeier, erschienen im FISCHER Sauerländer Verlag
Auf diesen Sonntag hatte sich Lieselotte schon sehr gefreut! Heute wollten die Bäuerin und der Postbote mit ihr auf die Wiese gehen und ihren neuen Drachen steigen lassen.
Aber als die Bäuerin zum Melken kam, sah sie ganz nass aus.
„So ein Mistwetter!“, seufzte die Bäuerin. „Mit dem Drachen-Steigen-Lassen wird es da wohl heute nichts, Lieselotte.“
„Ich denke, ich werde stattdessen die Gelegenheit nutzen, um endlich mal gründlich die Küche aufzuräumen. Das will ich schon seit Wochen machen. Und auch der Postbote meinte, dass er bei dem schlechten Wetter dann lieber seinen Bürokram erledigt. Du weißt dich ja bestimmt auch gut alleine zu beschäftigen, Lieselotte.“
Natürlich konnte sich Lieselotte alleine beschäftigen. Aber Gummitwist machte nur halb so viel Spaß, wenn einem niemand dabei zuschaute.
Und ihr Puzzle hatte viel zu viele grüne Teile.
Die Märchenschallplatte kannte Lieselotte fast schon auswendig.
Und das Bilderbuch auch.
Lieselotte war es einfach schrecklich langweilig!
Also ging Lieselotte aus dem Stall, um zu schauen, was die anderen Tiere so machten. Vielleicht konnte sie ja irgendwo mitspielen.
Die Hühner unterhielten sich über irgendwelche Hühnersachen, die Lieselotte nicht verstand.
Und für die Spiele der Küken war sie viel zu groß.
Bei den schlafenden Schweinen war es ganz gemütlich. Aber Lieselotte war nicht nach einem Nickerchen zumute.
Das Pony und die Ziege waren gerade mitten in einer langen Brettspiel-Partie. Lieselotte durfte zwar die Bank übernehmen, aber auch das wurde ihr bald langweilig.
Und die Bäuerin war damit beschäftigt, die Küchenschränke auszuräumen.
Da hatte Lieselotte eine Idee. Sie ging ins Haus und stieg auf den Dachboden. In der großen Spielzeugkiste würde sie bestimmt etwas Interessantes finden …
Aber auf keines der Spiele hatte Lieselotte heute Lust.
Was für ein langweiliger Nachmittag …
Doch dann fiel Lieselottes Blick endlich auf etwas Brauchbares.
Wenn das Wetter draußen zu schlecht war, um einen Drachen steigen zu lassen, dachte sich Lieselotte, dann musste sie das eben drinnen machen.
Also baute sie ganz leise alles auf, was sie dafür brauchte: Zunächst einmal einen flotten Start …
… dann eine scharfe Kurve …
… und zum Schluss einen kräftigen Wind.
Jetzt musste Lieselotte nur noch ihren Drachen aus dem Kuhstall holen.
Beim Hinausgehen schob Lieselotte kurz die Küchentür auf und lugte hindurch. Bestimmt hatte auch die Bäuerin nichts gegen ihren Plan.
Trotzdem war es gut, dass sie gerade so beschäftigt war ...
Aber was sollte auch schon schiefgehen? Auf die Plätze!
Fertig!
Muuuuh!
Lieselotte legte sich in die Kurve.
Aber anstatt den Flur hinunter in Richtung Ventilator zu sausen, flog sie aus der Bahn, stieß die Tür auf und zischte direkt …
... in die Küche!
Lieselotte schaute erschrocken auf das Chaos.
Hatte sie das jetzt angerichtet? Auch die Bäuerin blickte um sich und seufzte. Wer hätte gedacht, dass Aufräumen so viel Unordnung macht?
Und anstatt zu schimpfen, schien sie sich über die Unterbrechung fast zu freuen: „Bist du gekommen, um mir zu helfen, Lieselotte? Das ist nett von dir. Aber vorher haben wir uns eine kleine Pause verdient. Was meinst du? Das Wetter draußen sieht auch nicht mehr ganz so schlimm aus …“
Wenig später tobten sie fröhlich auf der Wiese herum. Und als der Postbote den Drachen am Himmel sah, kam auch er gleich angelaufen.
Er wusste schließlich, dass es auf Lieselottes Hof nie langweilig war.
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