jetzt drucken

Ganz einfach Löwe

Eine Geschichte von Ed Vere, erschienen im cbj Verlag.

Manche sagen, es sei ganz klar, wie Löwen sind.

Sie sagen, ...

Löwen sind FURCHTERREGEND.

Wenn sie dich kriegen, fressen sie dich auf.

Schnapp, mampf, SCHMATZ!

Sie sagen, ein Löwe kann nicht nett sein.

Sie kennen eben Leonard nicht.

Leonard geht gerne allein spazieren. Er mag es, wenn die Sonne ihm den Rücken wärmt und er das Gras unter seinen Pfoten spürt.

Hin und wieder steigt er auf seinen Denkhügel.

Manchmal denkt er über wichtige Dinge nach … Manchmal träumt er nur so vor sich hin.

Und zwischendrin summt er leise und spielt mit Wörtern. Setzt sie zusammen, mal so herum, mal anders herum – bis ein Gedicht entsteht.

Jetzt sagen manche, MOMENT!

Löwen sind nicht nett! Löwen machen keine Gedichte!

Und wenn ein Löwe einer Ente begegnet – tja, Pech für die Ente!

Schnapp, mampf, SCHMATZ!

Nun, was glaubst du, was passiert, wenn Leonard eine Ente trifft?

„Hallo“, sagte Leonard. „Ich bin Leonard.“

„Hallo“, sagte die Ente. „Ich bin Marianne.“

„Ich mache gerade ein Gedicht“, sagte Leonard. „Aber ich komme nicht weiter. Magst du mir helfen?“

„Du hast Glück“, sagte Marianne. „Ich bin nämlich eine einfallsreiche Ente.“

Zusammen drehten sie die Wörter hin und her, bis das Gedicht fertig war.

Leonard und Marianne stellten fest, dass sie einander mochten.

Sie lagen zusammen im langen Gras in der Sonne.

Sie spielten.

Sie gingen spazieren und führten lange, verschlungene Unterhaltungen in einer Mischung aus Gequak und gedämpftem Gebrüll.

Nachts hielten sie nach Sternschnuppen Ausschau, und wenn sie eine sahen, wünschten sie sich was.

„Glaubst du, dass die Welt einen Rand hat?“, quakte Marianne.

„Und wenn ja“, sagte Leonard, „fallen wir dann herunter?“

Zusammen waren sie wunschlos glücklich.

(Manche sagen, dass der Löwe die Ente schon längst hätte fressen sollen …)

Eines Tages kam eine Horde furchterregender Löwen vorbei.

„Was ist hier los?“, knurrten sie. „Warum wurde diese Ente nicht längst gefressen?“

„Die Ente heißt Marianne“, sagte Leonard. „Sie ist meine Freundin, und keiner wird sie fressen!“

Die furchterregenden Löwen kamen näher.

„Wir haben schon gehört, dass du nett bist. Wir haben schon gehört, dass du Gedichte machst. Aber eine Ente nicht zu fressen – das geht zu weit!“

Die wilden Löwen knurrten und brüllten.

„Wenn du wirklich ein Löwe sein willst, Leonard – dann darfst du nicht nett sein!“

„Ich darf nicht nett sein?“, sagte Leonard. „Muss ich mich ändern?“

„Sie haben nicht recht“, quakte Marianne. „Und wir werden es ihnen beweisen.“

Leonard und Marianne stiegen auf ihren Denkhügel und dachten angestrengt nach.

Nach einer Weile begann Leonard zu summen. Eine Idee nahm langsam Gestalt an.

Marianne quakte und quakte. Die Idee wuchs.

Sie fügten ihre Wörter zusammen, so herum, anders herum, hin und her, bis ein Gedicht entstand, das genau das sagte, was sie dachten.

Schließlich waren sie fertig.

Leonard holte tief Luft.

„Ich sag‘s euch ganz leise, 

Ihr versteht mich auch so: 

Alle Tiere sind meine Freunde,

Und das macht mich froh.


Jetzt sagt ihr, ich soll mich ändern, soll fressen Mariann’?

Doch seine Freunde zu fressen ist ein bescheuerter Plan.


Niemand soll sagen,

Nur ein Weg sei fein.

Du kannst auf vielerlei Arten

Du selber sein.

Das müssen wir wirklich. 

Und das kriegen wir hin!


Dann könnt ihr nämlich – ihr sein …

und ich, wie ich bin.“

Manche sagen, mit Wörtern kann man die Welt nicht ändern. Leonard sagt, wenn sie dich zum Nachdenken bringen, vielleicht doch.

Kann man wirklich nur auf eine einzige Art Löwe sein? Ich glaube nicht.

Was denkst du?

Ende der Geschichte! Hab einen spannenden Tag!

Oder noch nicht genug vorgelesen?

Hier findest du weitere Geschichten.

weiterlesen

Lesezeichen hinzugefügt

Du hast für diese Geschichte auf diesem Gerät ein Lesezeichen gesetzt. Wenn du sie das nächste Mal öffnest, kannst du an der markierten Stelle fortfahren.

ok, verstanden