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Die Reise zum Amazonas

Mit ihrer Freundin Kaya kann man die besten Abenteuer erleben, finden Mischa und Tim. Blöderweise enden sie meistens damit, dass die Kinder in Schwierigkeiten stecken.

So wie vor einer Woche, als Kaya erzählt hat, dass auf dem Dach des Rathauses ein Drachennest sei. Am Ende hat die Feuerwehr sie alle wieder vom Rathausdach heruntergeholt. Dabei war das Raufklettern so einfach gewesen! Das Drachennest hatten sie nicht gefunden. Weil Drachen sich unsichtbar machen, wenn zu viele Leute da sind, hat Kaya gesagt.

„Kann ich mit Mischa und Kaya zum Bach?“, fragt Tim seine Mutter. „Wir wollen einen kleinen Staudamm bauen.“

Der Bach ist hier am Dorf ganz flach und steinig, und er ist direkt hinter Mischas Haus. Die Kinder spielen oft dort. Aber Tims Mutter runzelt die Stirn.

„War das Kayas Idee?“, fragt sie.

Tim schüttelt den Kopf. „Nein, meine.“

„Und ihr baut nur einen kleinen Staudamm?“, fragt sie.

„Natürlich“, sagt Tim so überzeugend, wie er kann.

Seine Mutter sieht jedoch nicht überzeugt aus. Doch sie sagt mit einem leisen Seufzen: „Na gut, aber um sechs kommst du nach Hause.“

„Mach ich“, verspricht Tim und flitzt los.

Kaya und Mischa warten schon ungeduldig.

„Meine Schwester passt auf uns auf, Mama muss lange arbeiten“, ruft Mischa ihm entgegen.

Aus dem Zimmer von Mischas Schwester Nadja dröhnt lauter Gesang. Mischa grinst und sagt: „Sie spielt Karaoke-Star und meinte, wir sollen nicht rumnerven. Und wenn wir noch mal auf ein Dach klettern, würde die Feuerwehr uns sowieso gleich oben lassen.“

Manchmal ist Tim froh, dass er keine Geschwister hat. Nadja kann so fies sein. Und ihr Gesang ist echt schlimm!

„Lasst uns den Bach weiter runtergehen, dann hören wir Nadja nicht mehr singen“, schlägt Kaya vor.

Sie gehen ein Stückchen am Bachufer entlang.

Plötzlich wirft sich Kaya flach auf den Boden und zischt: „Schnell, in Deckung!“

Tim und Mischa ducken sich.

„Was ist denn?“, fragt Tim.

„Pssst“, macht Kaya. „Siehst du das da?“

Tim reckt seinen Hals. Ein paar Meter vor ihnen liegt ein langes breites Stück Holz am Bachufer.

„Das Holz?“, fragt Tim.

„Bist du verrückt?“, sagt Kaya. „Das ist kein Holz. Das ist ein Gemeiner Goldkaiman. Das gefährlichste Krokodil der Welt. Es hat tödliches Gift in den Zähnen.“

„Wie kommt ein giftiges Krokodil in unser Dorf?“, fragt Mischa.

„Es ist abgehauen. Aus dem geheimen Zoo von einem verrückten Forscher“, erklärt Kaya. Tim überlegt, wie viele verrückte Forscher wohl in ihrem kleinen Dorf wohnen. Kaya aber pirscht zum Bach hinunter.

„Wir müssen uns durch den Bach daran vorbeischleichen“, raunt sie ihren Freunden zu. „Und dann müssen wir zum Amazonas und ein Gegengift besorgen. Nur so können wir unser Dorf retten.“

„Äh … wie kommen wir zum Amazonas?“, fragt Mischa.

„Wusstest du etwa nicht, dass unser Bach zum Amazonas fließt?“, fragt Kaya erstaunt.

Tim denkt angestrengt nach. In seinem Kinderatlas gibt es ein Bild vom Amazonas. Das ist ein großer Fluss, der mitten durch einen Dschungel fließt. Tim war noch nie im Dschungel. Er würde wirklich gerne zum Amazonas gehen und das Gegengift holen. Mischa geht es wohl genauso.

Sie folgen Kaya leise in den Bach. Zum Glück haben sie alle ihre Wassersandalen an. Da pieken die Steine nicht so. Das Wasser geht ihnen bis zu den Knöcheln und ist eiskalt. Sie gehen mucksmäuschenstill an dem Gemeinen Goldkaiman vorbei. Tim hält vor Aufregung die Luft an. Aber das gefährliche Krokodil rührt sich nicht.

„Geschafft“, sagt Kaya schließlich, und beide Jungen atmen erleichtert aus.

Jetzt müssen sie nur dem Bach folgen, bis sie am Amazonas sind. Sie springen von Stein zu Stein und patschen ab und zu durch das flache, sprudelnde Wasser. Das macht wirklich Spaß! Immer weiter laufen sie, bis die Bäume um sie herum dichter werden.

„Ist das der Dschungel?“, fragt Tim.

Kayas Augen blitzen. „Genau. Ab jetzt müssen wir aufpassen. Manchmal verirren sich fleischfressende Piranhafische in den Bach. Und hört ihr das Klopfen?“

„Ja, das ist ein Specht“, sagt Mischa. Er ist stolz, dass er das Geräusch erkennt.

„Quatsch“, sagt Kaya. „Das sind Affen, die auf eine Kokosnuss schlagen, um die anderen Tiere vor dem Panther zu warnen.“

Tims Nackenhaare stellen sich auf. Er späht aufmerksam in alle Richtungen. Gerne würde er einen Affen sehen. Aber was wäre, wenn sie von einem Panther oder von einem Piranhafisch überfallen werden?

Ihre Expedition durch den Dschungel ist wirklich aufregend. Aber irgendwann hört der Dschungel auf. Es wird ganz hell, und der Bach wird breiter.

„Dahinten ist eine Brücke“, ruft Mischa.

„Die führt zu einem verzauberten Tempel“, erzählt Kaya.

Aber dieses Mal glaubt Tim ihr nicht. Denn auf der Brücke stoppt in diesem Moment mit quietschenden Reifen ein Polizeiauto. Heraus springen Nadja und Mischas Onkel Ilja mit seinem Kollegen. Onkel Ilja ist nämlich Polizist.

„Mischa, wenn du bei drei nicht hier auf der Brücke bist, dann verhau ich dich“, schreit Nadja.

Und da begreift Tim, dass sie mal wieder in echten Schwierigkeiten stecken. Als sie endlich oben auf der Brücke stehen, weiß er gar nicht, wo er hinschauen soll.

Onkel Ilja und sein Kollege gucken sehr, sehr streng.

„Was habt ihr euch nur dabei gedacht, einfach abzuhauen?“, fragt Onkel Ilja. „Nadja hat euch überall gesucht. Und jetzt finden wir euch hier, drei Dörfer weiter! Wie seid ihr nur hierhergekommen?“

Mischa zieht laut seine Nase hoch und schweigt. Tim findet es schrecklich, dass nun wieder alle wütend auf sie sein werden. Er hätte nicht gedacht, dass sie schon so weit weg von Mischas Haus waren.

Nur Kaya traut sich, zu antworten.

„Gut, dass wir die Polizei treffen“, sagt sie unbeeindruckt. „Wir haben nämlich ein gefährliches Krokodil gefunden und müssen dringend ein Gegengift besorgen …“

„Hä?“, sagt der Kollege von Onkel Ilja. „Krokodil? Gegengift?“

Da erzählt Kaya die ganze Geschichte. Von dem verrückten Forscher, dem Gemeinen Goldkaiman, dem Gegengift, den Piranhas und ihrer Reise zum Amazonas.

Und als Tim schon denkt, dass Onkel Ilja und der andere Polizist all das für den allergrößten Unfug halten, sagt Onkel Ilja zu seinem Kollegen: „Da haben wir ja ein Riesenglück, was, Harry?“

Mischa, Tim, Kaya und Nadja machen verständnislose Gesichter. Onkel Ilja aber zwinkert seinem Kollegen zu und sagt: „Gerade gestern haben wir den verrückten Forscher festgenommen und das Gegengift am Amazonas geholt. Natürlich war das ein streng geheimer Einsatz. Also: Pst! Nur den giftigen Goldkaiman haben wir noch nicht gefunden. Ich würde sagen, den schnappen wir uns jetzt! Alle ab ins Auto! Wir haben ein Dorf zu retten!“

Die Kinder quetschen sich eilig mit Nadja auf die Rückbank des Polizeiautos, und Onkel Ilja sagt zu seinem Kollegen: „Harry, mach das Blaulicht an!“

Schon brausen sie mit Tatütata zurück zu Mischas Haus. Kaya erklärt den Polizisten, wo genau das Krokodil liegt. Onkel Mischa nimmt eine Limoflasche aus dem Handschuhfach. Da sei nämlich keine Limo, sondern das Gegengift drin, erklärt er.

„Kinder, ihr bleibt hier“, sagt Harry. „Wir erledigen das mit dem Kroko.“

Tim, Mischa und Kaya warten mit Nadja am Polizeiauto.

„Kroko, pf!“, macht Nadja kopfschüttelnd. „Da bin ich ja mal gespannt.“

Wenig später kommen die Polizisten zurück. Onkel Ilja trägt ein großes Bündel unter dem Arm.

„Das ist der vermisste Goldkaiman, eindeutig“, sagt er lachend. „Wir haben ihn betäubt und in meine Jacke gewickelt. Jetzt bringen wir ihn in den Zoo, okay? Und wenn ihr das nächste Mal auf Reisen geht, nehmt Nadja mit!“

Auch Harry lacht, als sie davonfahren. Bestimmt, weil er froh ist, dass sie endlich das giftige Krokodil geschnappt haben, denkt Tim.

Jetzt haben Kaya, Mischa und er also das Dorf gerettet. Puh.

„He, sechs Uhr“, mahnt Nadja. „Ab nach Hause. Und wehe, einer von euch petzt, dass ich nicht aufgepasst habe!“

„Ist doch gut, sonst hätte die Polizei nie den Goldkaiman gefunden“, erwidert Kaya.

Nadja grinst und sagt: „Ehrlich, so eine Freundin wie dich hätte ich auch gerne.“

„Kannst ja morgen mitkommen“, sagt Kaya.

„Wohin?“, fragt Nadja.

„Wenn man den Bach in die andere Richtung runtergeht, kommt man zum Mississippi“, behauptet Kaya.

Mischa und Tim sehen sich an. Das wird morgen wieder ein toller Tag!

Ende der Geschichte! Hab einen spannenden Tag!

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