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Metti Meerschwein

Eine Geschichte von Madlen Ottenschläger mit Illustrationen von Stefanie Reich, erschienen bei arsEdition

Das Hasenmädchen Metti lebte auf einem Bauernhof. Neben dem Bauernhof kitzelten Berge die Wolken am Himmel. Es gab weite Wälder und Wiesen voller Löwenzahn. Es gab auch Pferde und Kühe und Hühner und einen Hahn und eine Katze.

Metti liebte ihr Hasenleben.

Doch Metti war nicht wie die anderen Hasen. Das hast du sicherlich schon bemerkt. Metti war kleiner. Sie war bunter. Und sie konnte pfeifen. So ein Glück! So hatten die Hasen eine prima Schiedsrichterin, wenn sie Fußball spielten.

Aber Metti konnte noch mehr. Ihr entging kein Foul. Und keine Bewegung. Im Wald, unweit des Bauernhofes, lebte Fredo Fuchs und träumte von einem saftigen Hasenbraten: Happs! Schmatz! Seinen Speiseplan hatte er aber ohne Metti gemacht. Näherte sich Fredo der Hasenwiese, pfiff Metti dreimal so laut, dass die Grashalme wackelten.

„Diese Metti!“, jubelten die Bauernhofhasen im sicheren Stall.

„Diese Metti!“, schimpfte Fredo Fuchs und schlich hasenbratenhungrig zurück in den Wald.

Das waren aber nicht die einzigen Abenteuer, die Metti erlebte. Metti liebte wilde Wettrennen! Raketenschnell flitzte sie mit ihrer besten Freundin Hedi durch das hasenhohe Gras. Wer als Erste die alte Eiche am Waldrand erreichte, gewann einen Kranz aus Gänseblümchen. Fast ausnahmslos war Hedi die Siegerin. Das war aber nicht schlimm, denn die beiden Freundinnen teilten die Gänseblümchen immer schwesterlich. Happs! Schmatz!

Manchmal fraßen Metti und Hedi auch total verdrehte Irrwege in die Wiese. Du weißt vielleicht nicht, was ein Irrweg ist? Nun, das ist ein Weg, der im Kreis geht oder im Nichts endet, etwa am Zaun der Pferdekoppel oder an einem überhasenhohen Grasbüschel. Hoppelte eine der beiden Freundinnen in so ein Nichts und kam nicht weiter, wackelte die andere begeistert mit den Ohren.

Auch im Ohrenwackeln war Hedi Metti weit überlegen. Und Hedi tanzte auch den Popo-Lopo besser. Das ist ein lustiger Hasentanz, den die Bauernhofhasen tanzen, wenn sie sich hasenmäßig freuen, beispielsweise über eine saftige Möhre oder ein leckeres Gänseblümchen. Dann wackeln die Hasen-Popos, dass die Pummelschwänze fliegen und die Luft surrt.

Doch im Verstecken und Entdecken war Metti unschlagbar. Und im Erschrecken auch.

Metti hatte auch das prächtigere Fell. Und den gemütlicheren Schlafplatz. Und spielten die Hasen Reimen, gewann fast ausnahmslos Metti.

„Mandarine!“, rief Hedi.

„Pups-Maschine!“, reimte Metti.

Metti hatte alles, was ihr Hasenherz begehrte. Sie war ein glücklicher Hase. Und wäre es nach Metti gegangen, hätte sich ihr Hasenleben auch niemals geändert. Es ging aber nicht nach Metti.

Krrrsch.

Metti spitzte ihre Ohren.

Krrrsch. Krrrsch.

Metti riss ihre Augen auf.

Krrrsch. Krrrsch. Krrrsch.

Mettis Herz hüpfte. Schlich Fredo Fuchs gerade in den Hühnerstall?

Krrrsch.

Oder fiese Räuber?

Mit einem letzten, ganz besonders lauten Krrrsch ging die Stalltür auf.

„Hallo“, sagte eine Stimme.

Die Stimme hatte Schlappohren. Einen Pummelschwanz. Und schwarze, vor Neugier blitzende Augen. „Ich bin Oskar“, sagte der zu der Stimme gehörende Hase. Die Bauernhofhasen guckten den Besuchshasen blitzewach und ziemlich erstaunt an. Oskar war der größte und schönste Hase, den sie je gesehen hatten. Was wollte ein so wunderbarer Hase auf ihrem Bauernhof?

Das wollte auch Metti wissen. Sie setzte ihr schönstes Hasenlächeln auf und sagte: »Mein Name ist Metti Hase. Was führt dich zu uns, Oskar Hase?«

Oskar starrte Metti an, dann brach er in lautes Lachen au

„Metti Hase?“, rief er. Oskar musste so sehr lachen, dass er einen Purzelbaum schlug! Als seine Pfoten wieder auf dem Stallboden standen, rief er noch einmal „Metti Hase?“. Jetzt hielt er sich den Bauch vor Lachen. Dann sagte er empört: »Du bist kein Hase. Du bist ein Meerschweinchen. Und Hasen spielen nicht mit Meerschweinchen. Weißt du das denn nicht? Dann bist du nicht nur anders, sondern auch dumm.«

Ein Mähschweinchen? Was sollte das denn sein? Metti kratzte sich am Ohr. Das tat sie immer, wenn sie nachdenken musste. Als Bauernhofhase kannte Metti natürlich Schweine. Und Metti wusste auch ganz genau, was mähen bedeutete. Wuchs das Gras auf der Hasenwiese überhasenhoch, kam die Bäuerin und seufzte: »Es ist wieder so weit. Ich muss die Hasenwiese mähen!« Und dann mähte sie die Hasenwiese.

Aber tat sie das vielleicht mit einem Schwein? Natürlich nicht! Oder hast du schon einmal eine Bäuerin gesehen, die mit einem Schwein mäht? Nein? Na also! Metti auch nicht. Doch Metti stellte sich genau das jetzt vor, und beim Gedanken daran, wie die Bäuerin auf einem Schwein saß und die Wiese mähte, musste sie kichern.

Plötzlich war Metti alles klar! Laut rief sie: »Ich mähe ja auch! Ich mähe Gras, Löwenzahn und Gänseblümchen, weil ich Gras, Löwenzahn und Gänseblümchen fresse. Ich bin eine Mäherin. Aber bin ich rosa? Habe ich einen Ringelschwanz? Nein! Ich bin kein Schwein. Ich bin ein Hase. Ein Mäh-Hase.«

„Was bist du dumm!“, sagte Oskar. Er holte ein rundes, glänzendes Etwas aus seinem Rucksack, und Metti sah das erste Mal in ihrem Leben in einen Spiegel. Aus dem Spiegel blickte Metti ein Tier an. Das Tier hatte einen Pummelschwanz. Es hatte zwei Schlappohren. Und schwarze, vor Neugier blitzende Augen. Es war der größte und schönste Hase, den Metti jemals gesehen hatte. Doch neben dem Spiegel-Hasen Oskar stand ein weiteres Tier. Das Tier war klein. Es hatte winzige Ohren. Und keinen Pummelschwanz. Metti sah sich selbst. „Ich bin tatsächlich kein Hase“, murmelte sie.

Bestimmt warst du schon einmal traurig und weißt, dass das ein blödes Gefühl ist. Der Bauch tut weh, und die Brust fühlt sich an, als läge darauf ein Stein so groß wie ein Felsbrocken, sodass man kaum noch atmen kann. So fühlte sich Metti jetzt. Doch da war noch ein anderes Gefühl. „OOOaaRRR!“, brüllte Metti. „Ich hasse euch!“

Metti war wütend. Und wie!

Doch traurig war Metti natürlich immer noch. Traurig und wütend, das macht trütend. Und Trut, die Mischung aus Traurigkeit und Wut, ist ein ganz, ganz starkes Gefühl, das einen ziemlich seltsame Dinge machen lässt.

„OOOaaRRR!", brüllte Metti erneut. „Ich bin nicht mehr eure Freundin! Ihr wusstet, dass ich kein Hase bin, und habt es mir nicht gesagt.“

Metti war so trütend, dass sie Hedi gegen die Pfote kickte. Dann rannte Metti los.

Metti flitzte über die Hasenwiese, an der Weide der Kühe vorbei und über die Pferdekoppel in den Wald. Sie rannte und rannte und rannte, und wäre nicht geschehen, was dann geschah, so wäre Metti wohl noch bis an den Nordpol oder doch mindestens bis zum nächsten Bauernhof gerannt

Denn plötzlich keuchte es neben Metti. Das Keuchen war so laut und so unheimlich, dass es nur das Keuchen eines Ungeheuers sein konnte.

Metti huschte unter den nächsten Busch und drückte ihren Körper flach auf den Waldboden. „Gerettet!“, seufzte sie erleichtert.

Doch auch in der Buschhöhle keuchte es. Tatsächlich war das Keuchen in der Buschhöhle noch viel lauter und noch viel unheimlicher. Metti kniff die Augen zusammen. Sie wollte das Ungeheuer nicht sehen. Jetzt würde es sie packen und ...

Aber nichts geschah! Metti blinzelte. Vorsichtig lugte sie nach links. Dann nach rechts. Dann drehte sie sich im Kreis. Nirgendwo war ein Ungeheuer zu sehen.

Metti kratzte sich am Ohr. Wo nur war das Ungeheuer hin? Und warum keuchte es immer noch in der Buschhöhle? Plötzlich musste sie kichern. Es war niemand anderes als sie selbst, die so unheimlich keuchte! Das Durch-den-WaldRennen hatte sie so angestrengt, dass sie noch immer nach Luft schnappte. Nach und nach beruhigte sich ihr Atem. Was sich aber nicht beruhigte, das war die restliche Metti.

Metti war noch immer trütend, und je länger sie unter dem Busch saß, desto trütender wurde sie. Die Bauernhofhasen hatten sie belogen. Und sie hatten sie nicht verteidigt, als Oskar so gemeine Dinge zu ihr sagte.

Da war es gut, dass Metti einen TrutTrick kannte. Der Trut-Trick ging so (und du darfst ihn gerne ausprobieren, wenn du einmal trütend bist): ganz, ganz fest in ein Kissen boxen. Im Wald gab es zwar kein Kissen, aber unter dem Busch wuchs Moos, und das ging ebenso gut. Metti boxte und boxte und boxte, und tatsächlich wurde nach einer Weile der Felsbrocken auf ihrer Brust kleiner.

Und da sah Metti es.

Vor Metti glitzerte etwas. Neugierig schlich sie näher. Eine Waldpfütze! Die Pfützen auf dem Bauernhof waren stets so voller Schlamm, dass das Wasser darin tiefbraun war. Doch diese Waldpfütze war sauber und klar. Metti sah sich darin wie in einem Spiegel. Sie stand jetzt ganz still und guckte sich an. Sie betrachtete ihre Mini-Ohren. Ihr buntes Fell. Sie staunte, wie klein sie war. Sie drehte sich im Kreis und erkannte, wie flink und gelenkig sie war. Sie tanzte den Popo-Lopo. Es flog zwar kein Pummelschwanz, aber die Luft surrte und ihr Popo wackelte wunderbar.

Dann dachte Metti an Oskars Worte: »Hasen spielen nicht mit Mähschweinchen. Weißt du das denn nicht? Dann bist du nicht nur anders, sondern auch dumm.«

Es stimmte, Metti war anders. Sie war kein Hase. Vielleicht war Metti ein Mähschweinchen, auch wenn sie nicht wirklich wusste, was ein Mähschweinchen war. Doch eines, das wusste Metti ganz genau: Sie war nicht dumm. Dumm war, dass Oskar ihr und den Bauernhofhasen verbieten wollte, miteinander zu spielen. So ein Blödsinn! Sie hatten immer Spaß gehabt. Warum sollte das plötzlich anders sein?

Metti rannte los. Und rannte. Und rannte ...

Am Waldrand stoppte Metti abrupt. Sie stand starr wie eine Statue und guckte auf die Hasenwiese.

Dort wackelten Hedi und Oskar mit den Ohren. Dort rannten Hedi und Oskar um die Wette. Dort teilten Hedi und Oskar einen Kranz aus Gänseblümchen. Happs! Schmatz!

„Mandarine!“, rief Hedi. „Tanzmaschine!“, reimte Oskar und nahm Hedis Pfote in seine. Die beiden tanzten den Popo-Lopo, dass die Luft surrte und die Pummelschwänze flogen.

Die Trut kroch zurück in Mettis Magen. Bei Metti flog kein Pummelschwanz.

So ein Glück! Denn weil Metti nicht tanzte, sah sie ...

„Fredo Fuchs!“, hauchte Metti erschrocken. Sofort pfiff sie dreimal so laut, dass die Grashalme wackelten. Raketenschnell stob Hedi davon. „Gerettet“, rief Metti glücklich. Doch was war das? Oskar tanzte einfach weiter! Warum nahm er nicht Reißaus?

Nun, Oskar ahnte nicht, dass er in Gefahr war! Er kannte Fredo Fuchs und seine Vorliebe für Hasenbraten nicht. Happs! Schmatz! Und er kannte Mettis Pfiff nicht. Er wusste nicht, dass der Pfiff für höchste Gefahr stand.

Einer aber kannte Mettis Pfiff ganz genau. Und das war Fredo Fuchs. „Diese Metti!“, rief Fredo und jagte los. „Oskar!“, rief Metti und jagte los.

„Metti! Oskar! Oskar! Metti! Metti! Oskar!“, hallte es da von allen Seiten. Fredo und Metti waren nicht allein auf die Hasenwiese geflitzt. Hedi hatte Hilfe geholt und nun sprangen alle Bauernhofhasen wild durcheinander.

„Fredo!“, grölte Metti. „Hier bin ich!“ Doch als Fredo guckte, war Metti längst über alle Grasbüschel und versteckte sich. „Fredo!“, schrie Hedi. „Hier bin ich!“ Doch als Fredo guckte, war Hedi längst über alle Grasbüschel und versteckte sich.

Endlich stoppte auch Oskar den Popo-Lopo. „Fang mich doch, du Eierloch!“, reimte er. „Fredo ist heut nicht der Koch!“, reimte Metti. Als sie erneut dreimal pfiff, jagten Metti, Oskar, Hedi und alle anderen Bauernhofhasen in den sicheren Stall.

„Diese Metti!“, schimpfte Fredo. Hasenbratenhungrig schlich er zurück in den Wald. „Diese Metti!“, jubelten die Bauernhofhasen. Nur ein Hase jubelte nicht.

Oskar dachte traurig: Jetzt jagen mich die Bauernhofhasen sicher fort.

Tatsächlich hatten die Bauernhofhasen Oskar am Morgen, als Metti aus dem Stall gerannt war, mächtig ausgeschimpft. Auf ihre Metti ließen sie nichts kommen! Sie hatten sofort nach ihr gesucht, sie aber nicht gefunden. Und dass Hedi und Oskar auf der Hasenwiese gespielt hatten, lag nur daran, dass Hedi ihre Freundin Metti so schrecklich vermisste und abgelenkt werden musste. Die anderen Hasen hatten dafür keine Zeit gehabt. Sie hatten Proviant eingepackt, denn sie wollten Metti so lange suchen, bis sie sie auch fanden.

Doch nun war Metti wieder da. So ein Glück!

Ja, und so ein Glück, dass Oskar gut im Nachdenken und Zuhören war. Er wusste jetzt, dass er Blödsinn gedacht und gesagt hatte. Du weißt bestimmt, dass das jedem passieren kann, und was dann zu tun ist. Und das tat Oskar auch. Denn er war gut im Entschuldigen. Und Metti war gut im Verzeihen.

Die Bauernhofhasen freuten sich so sehr, dass sie einen Popo-Lopo tanzten, bei dem die Luft surrte und die Pummelschwänze nur so flogen. Und ein Mähschweinchen-Popo, der wackelte auch.

Damit ist diese Geschichte nun aus. Bis auf eins, das noch erzählt werden muss.

„Bin ich wirklich ein Mähschweinchen?“, fragte Metti. »Du bist doch kein MÄHschweinchen. Du bist ein MEERschweinchen! «, lachte Oskar. »Meer wie das Meer. Das ist ein Wasser, so groß und mächtig, dass es zwar einen Anfang, aber kein Ende hat. Es liegt weit oben im Norden.«

Metti kratzte sich am Ohr. „Leben dort am Meer viele, die so sind wie ich?", fragte Metti.

„Ja“, sagte Oskar.

Mettis Bauch kribbelte. Mit schwarzen, vor Sehnsucht blitzenden Augen schaute sie Oskar und Hedi an.

Denkst du, was ich denke? Ja? Nein? Vielleicht? Ich will dir verraten, was ich denke. Ich denke, dass Metti ihre Familie kennenlernen will. Und so ein weiteres, großes Abenteuer auf Metti Meerschwein und ihre Freunde und Freundinnen wartet …

Ende der Geschichte! Schlaf schön!

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