eine Geschichte von Madlen Ottenschläger mit Illustrationen von Stefanie Reich, erschienen bei arsEdition
Metti Meerschwein lebte hasenvergnügt auf einem Bauernhof. Neben dem Bauernhof kitzelten Berge die Wolken am Himmel. Es gab weite Wälder und Wiesen voller Löwenza…
Halt! Stopp!
Hier stimmt doch was nicht! Hasenvergnügt? Ein Meerschweinchen? Das geht doch gar nicht!
Und wie das geht!
Metti lebte inmitten einer hasenfrohen Hasenbande. Als einziges Meerschweinchen!
Das machte aber nichts. Denn Metti mochte alle Hasen. Und alle Hasen mochten Metti.
Metti konnte nämlich pfeifen. Schlich sich Fredo Fuchs an, pfiff Metti dreimal so laut, dass die Grashalme wackelten, und die Hasen hoppelten in Sicherheit. Metti konnte auch reimen. So hatten die Hasen immer etwas zu lachen.
Ich bin klein – oho! So passt mein Pi-Pa-Po blitzeflitzefroh aufs Hasen-Klo!
Und auch im Verstecken war Metti unschlagbar. Kannst du sie entdecken?
Metti und ihre Freunde hatten das schönste Bauernhofleben.
Doch eines Tages zwickte es in Mettis Bauch. Es war ein Gefühl, als habe sie alle Gänseblümchen auf der Hasenwiese alleine verspeist. Und allen Klee. Und allen Löwenzahn.
Plötzlich kroch das Zwicken in Mettis Brust! Und in Mettis linke Pfote! Und in Mettis Po!
Es war nun in der ganzen Metti. Was konnte das nur sein?
Oskar, Mettis bester Freund, erzählte Metti einen Witz. Aber das Zwicken wurde nicht weniger.
Hedi, Mettis beste Freundin, umarmte Metti ganz fest. Aber das Zwicken wurde nicht weniger.
Metti zögerte kurz, doch dann traute sie sich und verriet Oskar und Hedi, was sie bedrückte: „Ich liebe mein Hasenleben. Und ich liebe euch! Aber ich habe noch nie ein anderes Meerschweinchen getroffen. Darum mache ich mich auf die Suche nach anderen Meerschweinchen. Ich verlasse den Bauernhof!"
Vor Schreck schlug Hedi ihre Pfoten vor den Mund. Ein Hasenleben ohne Metti? Niemals!
„Ich komme mit!“, rief Hedi.
„Ich auch!“, erklärte Oskar.
Und so war es abgemacht. Gleich morgen früh sollte es losgehen.
Chhhrrsch ...
Der ganze Hasenstall schlief.
Chhhrrsch, chhhrrsch ...
Der ganze Hasenstall schnarchte.
Chhhrrsch, chhhrrsch, chhhrrsch ...
Na ja, fast der ganze Hasenstall. Metti war wach. Sie konnte und konnte nicht einschlafen. Und das war auch kein Wunder, denn schon morgen wartete das große Abenteuer auf das kleine Meerschweinchen.
Metti freute sich meerschweinmega! Doch warum fühlte sie dann noch immer ein Zwicken? Eigentlich war es kein Zwicken, es war ein WIRBELSTURM.
Der Wirbelsturm war kratzig und grimmig, warm und weich, kalt und wunderbar, alles auf einmal!
Denn ja, Metti war voller Vorfreude auf das Abenteuer.
„Ich habe aber auch meerschweinschreckliche Angst“, flüsterte sie. Noch nie hatte Metti ihren geliebten Bauernhof verlassen.
Freude und Angst, das macht Frangst. Vielleicht kennst du dieses Gefühl? Es ist total verwirrend, denn es sind zwei sehr unterschiedliche Gefühle, die sich da zu einem Bauch-Wirbelsturm vermischen und ...
Tapp.
Was war das?
Tapp. Tapp.
Metti spitzte ihre Ohren.
Tapp. Tapp. Tapp.
Metti hielt den Atem an. In diesem Moment griff ein Etwas nach ihrer Pfote.
„Hedi?“, keuchte Metti.
„Ja, ich bin es“, wisperte Hedi. „Ich kann nicht einschlafen. Darf ich bei dir übernachten?"
Metti nickte, und so kuschelte Hedi sich vorsichtig zu ihrer Freundin ins Stroh. Dann geschah das Wunderbare: Während die beiden tuschelten und Pläne schmiedeten, schrumpfte Mettis Angst.
Sie wurde kleiner und immer kleiner, während Mettis Freude WUCHS und WUCHS. Und dann schliefen Hedi und Metti ein.
Es war ein neuer Morgen. Alle Bauernhofhasen standen versammelt auf der Hasenwiese.
„Habt ihr genug Proviant?“, fragten sie.
Hedi, Metti und Oskar nickten. Hedi hatte Gurken und einen Gänseblümchenkranz in ihren Rucksack gepackt. Metti Möhren und Löwenzahn. In Oskars Rucksack befanden sich Salatköpfe und ... äh …, das ist ein bisschen … öhm …, ungewöhnlich … ein Spiegel.
Pssst … Ich verrate dir etwas. Oskar schaute gern ab und zu nach, ob seine Frisur noch saß.
Die Bauernhofhasen winkten. Und dann rannten die drei Freunde los. Sie rannten über die Hasenwiese, an der Weide der Kühe vorbei, über die Pferdekoppel in den Wald und …
„Halt! Stopp!“, rief Metti erschrocken. „Woher wissen wir, in welche Richtung wir rennen müssen?"
Da lachte Oskar aber! „Du bist ein MEERschwein, Metti!“, kicherte der Hase.
„Meer wie das Meer. Das Meer liegt weit oben im Norden. Wir flitzen immer nach Norden. Und schwupps sind wir da."
Doch da täuschte Oskar sich.
Schwupps waren die drei Freunde kein bisschen da. Ganz im Gegenteil. Schwupps waren sie in allergrößter Gefahr!
„Fredo Fuchs!“, hauchte Metti.
Raketenschnell krochen die Freunde unter einen Busch. Keine Sekunde zu früh! Denn schon im nächsten Moment stand Fredo vor dem Busch. Er hob seine Nase. Er schnüffelte.
Raketenschnell krochen die Freunde unter einen Busch. Keine Sekunde zu früh! Denn schon im nächsten Moment stand Fredo vor dem Busch. Er hob seine Nase. Er schnüffelte.
Unter Mettis Po lag ein Stein. Und neben dem Stein lag ein zweiter. Und ein dritter. Und auf dem vierten Stein lag eine weiße Beere. Die drei Abenteurer waren in einen Schneebeeren-Strauch geraten, auch bekannt als …
„… Knallerbsen!“, zischte Oskar, der Metti ganz genau beobachtet hatte.
Hasenschnell pflückte Oskar von den Beeren. Und Hedi, die längst die Augen wieder offen hatte, die pflückte auch. Metti aber griff nach einem Stein.
Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, wussten die Freunde, was sie zu tun hatten. Metti knallte die Steine aufeinander. Hedi und Oskar zerquetschten die Knallerbsen.
„Uaaaahhh“, brüllten Hedi, Metti und Oskar. Und wenn drei kleine Lebewesen gemeinsam so laut brüllen, wie sie nur brüllen können, dann ist das ziemlich laut.
„Uaaaahhh“, brüllte jetzt auch Fredo. Er machte einen Satz nach hinten, schlug 28 Haken und war – husch – verschwunden.
Metti kicherte. Oskar schlug vor Freude einen Purzelbaum. „Gerettet!“, jubelte Hedi.
Dann rannten sie weiter. Sie rannten und rannten. Aus dem Wald wurde ein Acker. Aus dem Acker wurde ein Wald. Aus dem Wald wurde eine Wiese.
Auf der Wiese stand ein Pferd.
„Ist es noch weit bis ans Meer?“, fragte Metti.
„Ich fürchte, sehr!“, sagte das Pferd.
„Aber die Richtung stimmt?“, erkundigte sich Oskar.
„Den Berg er erklimmt!“, erklärte das Pferd.
Metti schaute sich um. Da war überhaupt kein Berg! Irgendetwas war seltsam. Nur was?
„Verstehst du, was wir sagen?“, wollte nun Hedi wissen.
„Ja, ja, mir zwickt der Magen!“, entgegnete das Pferd.
Da wusste Metti es: Das Pferd war ein Reim-Pferd! Es sprach nur in Reimen. So ein Glück, dass auch Metti im Reimen einfach spitze war!
Sie sagte: „Gutes Pferd, es ist nicht schwer: Verrätst du uns den Weg ans Meer?“ Das Pferd gluckste, dann rief es glücklich: „Das war fein, los, steigt ein!“
Das ließen sich Metti, Oskar und Hedi nicht zweimal sagen. Hurtig sprangen sie in die Satteltaschen.
Und dann ging es los, über Hügel und Felder, durch Wiesen und Wälder.
An einem Bach stoppte das Pferd. „Nun seid ihr nah am Meer – bitte sehr!"
An einem Bach stoppte das Pferd. „Nun seid ihr nah am Meer – bitte sehr!“ „Danke, Anke“, riefen Metti, Oskar und Hedi wie aus einem Mund.
Tatsächlich hieß das Pferd Thorben. Aber weil sich Thorben nicht auf Danke reimt, sagte es nichts, sondern nickte nur freundlich und trabte davon.
Klatsch! Platsch!
Metti riss die Augen auf. Hedi spitzte die Ohren. Oskar hopste auf seine Pfoten. Was kam jetzt? Ein Bär? Eine Hyäne?
Doch was kam, war winzig klein. Es kreischte allerdings so laut, als wäre es ein Tyrannosaurus Rex: „Hiiiiiilfe! Hiiiilfe!“
Das winzige Etwas schwamm auf dem Bach. Halt, nein, es schwamm nicht auf, es schwamm unter.
„Es geht unter!“, quiekte Metti.
„Es ertrinkt!“, rief Oskar.
Hedi sagte nichts. Sie bückte sich, und im nächsten Moment schwang sie, zack, den Gänseblümchenkranz aus ihrem Rucksack über ihrem Kopf.
Zzzzziiiiischhhhhh schlang er sich wie ein Lasso um das Etwas, und Hedi zog es an Land.
Das kleine Etwas schlotterte. Es hatte kleine Flügel, die nass und schwer an seiner Seite hingen. Aber das machte nichts, denn schon stand ein großes Etwas mit großen Flügeln neben ihm, flatterte es trocken und piks-küsste es. Mit vor Glück blitzenden Augen sah die Meisen-Mama die Freunde an.
„Danke“, sagte sie. „Ihr habt meinem Baby das Leben gerettet. Gibt es etwas, das ich für euch tun kann?"
Na, da mussten die drei aber nicht lange überlegen!
„Weißt du, wo das Meer ist?“, fragten sie wie aus einem Mund.
Die Meise lachte. „Folgt nur immer dem Bach. Aus dem Bach wird ein Fluss. Aus dem Fluss das Meer."
„So einfach?“, fragte Metti.
„So einfach“, bestätigte die Meise.
So ein Glück! Oder so ein Pech. Denn die Meise ergänzte: „Es ist noch sehr, sehr weit. Aber ich habe eine Idee: Ihr könntet ein Floß bauen!"
Eine Seefahrt, die ist lustig,
eine Seefahrt, die ist fein,
denn da kann man prima planschen
und die Super-Spritzer sein.
Die drei plitschten. Die drei spritzten. Die drei sangen.
Und die drei tanzten den Popo-Lopo. Das ist ein lustiger Hasentanz, den Hasen tanzen, wenn sie sich hasenmäßig freuen. Beispielsweise darüber, dass sie mit ihrem Superfloß nun bald am Meer sein würden. Mettis Bauch kribbelte.
Das war einmal mehr die Frangst. Aber das Meerschweinchenmädchen freute sich so sehr auf die anderen Meerschweinchen, dass die Freude mit jedem Kribbler größer und die Angst immer kleiner wurde.
Und dann wurde aus dem Bach ein Fluss. Und aus dem Fluss …
… wurde kein bisschen das Meer!
„Hedi! Oskar! Oskar! Hedi! Wohin soll ich steuern?“, rief Metti
„Rechts!“, bestimmte Hedi.
„Links!“, entschied Oskar.
Verwirrt guckte Metti von einem zum anderen, als plötzlich ein rattenscharfer Stoß ihr Floß traf. Die Strömung erfasste das Floß, wirbelte es im Kreis, und schon schoss es in den linken der zwei Flüsse.
Krawummm. Überrascht spitzte Metti die Ohren. Vor ihnen schien ein fürchterliches Unwetter zu toben. Tatsächlich sah Metti dunkle Wolken. Gleich würden Regen und Wind die drei Freunde packen. Doch nichts geschah. Nur das Donnern wurde lauter und immer lauter.
Da erkannte Metti es. Es war kein Unwetter. Die drei Freunde trieben auf einen Wasserfall zu!
Der zweite Stoß war noch rattenschärfer als der erste. Wumms! Das Floß schoss aus dem tosenden Wasser und kam mit einem lauten Krrrrsch auf einem Kieselstrand zum Stehen.
Metti, Oskar und Hedi purzelten an Land. Gerettet! Neben den Freunden stand ein Tier. Es hatte einen Metti-Körper. Und einen langen, langen Schwanz.
„Du hast uns gerettet“, rief Hedi glücklich.
„Ich bin Leila“, stotterte die Ratte.
„Du hast uns in Lebensgefahr gebracht!“, rief Metti. Denn nun war ihr alles klar. Der rattenscharfe Stoß in den Wasserfall-Fluss: Das war Leila gewesen!
Das Rattenmädchen guckte verschämt auf den Boden. Dann hob sie plötzlich die Schnauze und schnüffelte.
„Schnell!“, rief Leila. „Mir nach!“
Die Ratte flitzte über die Uferböschung. Im nächsten Moment brach das fürchterlichste Unwetter los, das die Freunde jemals erlebt hatten.
„Hinterher!“, rief Metti. Die Freunde jagten Leila nach und schlüpften mit ihr in einen Schuppen. Kaum war Mettis Meerschweinchenpopo in dem Holzhaus verschwunden, schüttete es wie aus Eimern.
„Du und dein guter Riecher haben uns ein zweites Mal gerettet“, sagte Metti. Das war gut. Nicht gut war, dass die Ratte die drei Freunde auch in allergrößte Gefahr gebracht hatte!
„Warum hast du das getan?“, wunderte sich Metti.
„Ich war eifersüchtig“, gestand Leila.
„Eifersüchtig?“, staunte Oskar.
„Ihr hattet so viel Spaß auf dem Floß. Und ihr seid so gute Freunde.“
„Wir sind die allerbesten Freunde!“, rief Metti.
„Na eben!“, zischte Leila. „Ihr seid allerbeste Freunde, aber ich habe keine Freunde. Die anderen Tiere spielen nicht mit Ratten. Wisst ihr das denn nicht?"
Mettis Bauch kribbelte. Das kam ihr gehörig bekannt vor! Es hatte nämlich einmal eine Zeit gegeben, da hatte ein Hase behauptet: „Hasen spielen nicht mit Meerschweinchen!“ Das war natürlich Blödsinn!
Und genauso war es doch Blödsinn, dass die anderen Tiere nicht mit Leila spielen wollten!
„Wollen wir spielen?“, fragte Metti.
Oskar zog seinen Spiegel aus dem Rucksack. Die vier schnitten die lustigsten Grimassen. Dann spielten sie Blitzegucken. Und Donnerzählen.
Sie spielten Verstecken und Entdecken. Und Erschrecken ... Und Reime erfinden.
„Mandarine!“, rief Hedi
„Pupse-Biene!“, reimte Leila.
Metti kicherte.
Und auch als das Unwetter längst vorbei war, spielten sie einfach weiter.
Die drei Freunde zeigten Leila, wie man den Popo-Lopo tanzt. Und Leila zeigte den drei Freunden, wie der Plankentanz geht. Das ist ein lustiger Schiffsrattentanz, den die kleine Ratte von ihrem Urgroßvater Rudi Pi Rattenporat gelernt hatte.
Denn Leila war zwar eine Wanderratte. Doch sie stammte von den AhoiPiraten ab, einer Schiffsratten-Bande, die tagein, tagaus über das wilde Weltmeer fuhr und ...
Metti riss die Augen auf. Sie hatte vor lauter Spielen das Ziel ihrer Reise vergessen! Atemlos fragte sie:
"Weißt du, wo das Meer ist?"
Da lachte Leila aber und stieß die Schuppentür auf. Hinter dem Schuppen schimmerte es blau. Sie waren längst am Meer!
Jubelnd fielen Metti, Hedi und Oskar sich in die Pfoten.
Dann tanzten sie zu viert einen Freuden-Popo-Lopo.
Doch plötzlich stoppte ein Popo. „Wo sind denn die Meerschweinchen?“, fragte Metti. Schnell erzählte sie Leila die ganze Geschichte.
Behutsam griff Leila nach Mettis Pfote.
„Nicht alle Meerschweinchen leben am Meer“, wusste die weit gereiste Wanderratte. „Sie heißen so, weil sie vor vielen, vielen Jahren über das Meer zu uns kamen. Aus Peru! Das ist im westlichen Südamerika."
Und tatsächlich fühlte Metti einen kleinen Piks in ihrem Bauch. Aber da war auch noch ein anderes Gefühl. Es war so wunderbar wie Schokoladenpudding und füllte den ganzen Metti-Bauch aus.
Metti war glücklich!
Sie hatte die abenteuerlichsten Abenteuer erlebt. Sie hatte plötzlich VIER allerbeste Freunde. Und Freundschaft steht über allem!
Und damit ist diese Geschichte nun aus. Halt, stopp! Nicht so schnell! Was sehe ich denn da? Am Horizont steht ein kleines, rotes Haus.
„Auf dem Bauernhof dort leben Meerschweinchen. Soll ich dich ihnen vorstellen?", fragte Leila.
Metti nickte. Und plötzlich kribbelte das puddingwarme Glücksgefühl in der ganzen Metti!
Weißt du, was ich denke? Ja, nein, vielleicht?
Ich denke, dass ein weiteres Abenteuer auf Metti Meerschwein
und ihre Freunde und Freundinnen wartet ...
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