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Kleiner Löwe, großer Mut

Eine Geschichte von Tom Betz und Carolin Helm, mit Illustrationen von Alexandra Helm, erschienen arsEdition.

Tobe ist ein ganz gewöhnlicher kleiner Löwe. Er hat eine blonde Löwenmähne, spitze Löwenzähne und drei starke Löwenbeine. Ein Bein hat Tobe nämlich verloren. Das passiert Löwen genauso wie Menschen.

Manchmal ist eine Krankheit schuld, manchmal ein Unfall und manchmal ein Krokodil. Du kannst dir ja denken, wer Tobes Bein geklaut hat! Nachdem das mit seinem Bein passiert ist, will Tobe endlich wieder all die Dinge machen, die Löwenkinder so lieben.

„Das Leben ist da, um gelebt zu werden, nicht um Pause zu machen“, sagt sich Tobe. Denn er hat noch so einiges vor.

Als Erstes will Tobe um die Wette brüllen. Das kann er besonders gut. Also geht er zu den anderen Löwen und legt los: „Roooooaaaaaaarrrrrrr!“

Der Lärm lässt Grashalme erzittern und Käfer von den Blättern rutschen. Für gewöhnlich brüllen seine Freunde dann zurück.

Aber diesmal bleiben alle stumm.

„Warum brüllt ihr nicht?“, fragt Tobe.

„Wir wollen dich schonen“, antworten seine Freunde.

Tobe versteht das nicht.

„Wer hat denn gesagt, dass ich geschont werden will?“, fragt er.

„Ich bin ein Löwe, also brüll ich!“ Tobes Bauch brennt vor Wut, also brüllt er diesmal noch lauter.

Als er fertig ist, schauen ihn alle verdutzt an. Und endlich legen sie los. „Roaaaaaaaaaaaaarrrr!„Ein ohrenbetäubendes Gebrüll hallt durch die weite Steppe. „Geht doch!“, sagt Tobe.

Am Mittag ist Tobe bei den Geparden eingeladen. Er freut sich sehr darauf, denn für gewöhnlich spielt er mit ihnen Fangen. Schon von Weitem kann er ihr gepunktetes Fell sehen.

„Ich bin dran!“, ruft Tobe. Doch keiner rennt los.

„Doch, doch. Wir wollen nur nicht, dass du hinfällst“, antworten die Geparden.

Tobe hört wohl nicht richtig.

„Wenn ich hinfalle, steh ich eben wieder auf. Genauso wie ihr. Ich bin ein Löwe, also renn ich!“

Und wie ein Blitz rennt Tobe los. „Ihr seid dran!“

Die Geparden müssen sich ganz schön beeilen, um hinterherzukommen. „Geht doch!“, ruft Tobe.

Nach dem Herumrennen will Tobe ein bisschen dösen. Also legt er sich wie gewöhnlich in die pralle Sonne. Doch plötzlich ist da ein Schatten. „He, was soll das?“, fragt Tobe.

Zuerst sieht er nur ein grünes Blatt, dann viele Finger. Schimpansen! Sie haben einen Sonnenschirm aus Blättern über ihn gespannt.

„Damit du nicht in der Sonne verbrutzelst!“, rufen die Schimpansen.

„Was mir guttut und was nicht, entscheide ich“, antwortet Tobe. „Ich bin ein Löwe, also dös ich in der Sonne!“

Die Schimpansen atmen auf und sind froh, die Blätter ablegen zu können. Ihnen taten sowieso schon die Arme weh. „Geht doch!“, sagt Tobe.

Nach einer Weile wird es Tobe doch etwas heiß in der Sonne. Also läuft er zum Fluss, um eine Runde zu schwimmen.

„Wer macht mit mir Wasserbomben?“, fragt er die Nilpferde. Die schauen ganz erschrocken.

„Ist das nicht zu gefährlich? Du könntest untergehen!“

Tobe ist verwirrt. „Klar kann ich untergehen. Aber dann komm ich eben wieder hoch!"

Also nimmt er einen großen Anlauf, springt, macht einen Bauchplatscher und geht unter. Die Nilpferde halten die Luft an. Doch da taucht Tobe wieder auf. „Ich bin ein Löwe, also schwimm ich!“, ruft er. Die Nilpferde sehen ein, dass sich jetzt alle genug Sorgen gemacht haben. Eilig laufen sie zum Ufer, um Wasserbomben zu machen. „Geht doch!“, ruft Tobe.

Nach den Wasserbomben ist Tobe ein bisschen auf Krawall gebürstet.

Für gewöhnlich läuft er dann zu den Nashörnern und versucht, eines umzuschubsen. Das klappt natürlich nie, denn die Nashörner sind viel stärker und schwerer als Tobe. Als er bei den Nashörnern ankommt, sucht er sich das größte aus und rennt mit Karacho gegen seinen Bauch.

Da geschieht etwas Merkwürdiges: Das Nashorn wackelt, stolpert und kippt dann wie in Zeitlupe um. Eine riesige Staubwolke wirbelt auf.

„Hatschi", macht Tobe. „Warum bist du umgefallen?“

„Ich wollte dir eine Freude machen“, antwortet das Nashorn. Der kleine Löwe schnaubt

„Eine Freude machst du mir, wenn du mich wie immer behandelst. Nur durch starke Gegner wird man stärker. Ich bin ein Löwe, also mess ich meine Kräfte!“

Schnell rappelt sich das Nashorn auf. Tobe nimmt noch einmal Anlauf, rennt, springt und – KRAWUMM – prallt an der ledrigen Nashornhaut ab. „Geht doch!“, sagt Tobe und reibt sich seinen schmerzenden Schädel.

Das merkwürdige Verhalten der anderen Tiere hat Tobe richtig angestrengt. Am Abend bekommt er zum Glück Besuch von seinem besten Freund, dem Büffel. Der ist klug und stark und weiß immer die richtigen Worte. Meistens braucht er gar nicht viele

„Alle behandeln mich, als ob ich jemand anderes wäre. Dabei bin ich doch immer noch ich“, erzählt Tobe dem Büffel.

Der Büffel sieht ihm eine ganze Weile fest in die Augen. Endlich antwortet er: „Das sehe ich.“

Tobe ist erleichtert. Wenigstens einer. Aber er ist auch wütend auf die anderen Tiere. Daher beschließt Tobe, es allen zu beweisen: „Ich laufe auf den höchsten Berg. Bis zu den Wolken!“

„Du kannst alles schaffen, was du willst“, sagt sein Vater. „Aber nimm deinen besten Freund mit. Jeder braucht mal Hilfe.“

Am nächsten Tag brechen Tobe und der Büffel auf. Sie gehen Tag und Nacht, immer bergauf Richtung Wolken. Erst ist die Landschaft grün. Riesige, mit Moos bewachsene Bäume säumen ihren Weg. Dann verschwinden die Bäume. Dafür wachsen Gräser und Sträucher, so weit das Auge reicht. Der Weg geht jetzt steil bergauf. Tobe sieht nicht, dass der Büffel immer langsamer wird.

„Sieh mal, die Wolken! Wir sind bald da“, ruft Tobe.

Doch der Büffel lächelt nur müde.

„Was ist los?“, fragt Tobe.

„Wir haben einen langen Weg zurückgelegt, die Reise hat mich erschöpft“, antwortet der Büffel. „Ich werde hier auf dich warten.“

Das kleine Löwenherz beginnt wild zu pochen.

Aber wie soll ich das alleine schaffen?“

Der Büffel sieht ihm wieder fest in die Augen. „Das letzte Stück wird wie im Flug vergehen“, sagt er.

Dann zwinkert er dem kleinen Löwen zu und legt sich zum Ausruhen in die Sonne.

Missmutig trottet Tobe weiter.

„Wie hat der Büffel das mit dem Flug gemeint?“, fragt er sich.

Vor lauter Ratlosigkeit fühlt er sich ganz schwer und elend. Mit einem Mal tun ihm alle drei Beine furchtbar weh und er friert bis in die Ohrenspitzen. Als er nach oben zu den Wolken blickt, kommen sie ihm plötzlich unendlich weit weg vor. „Das schaff ich nie“ , murmelt der kleine Löwe. „Ich brauch Hilfe.“

Gerade als er aufgeben und zum Büffel zurückrennen will, hört er ein leises Zwitschern. „Tiriliii, tiriliii.“

Tobe blickt nach oben. Vier, fünf, sechs schwarze Punkte fliegen auf ihn zu. Das „Tiriliii“ wird lauter. Vögel!

„Hallo! „Na? „Hallöchen!“ , ruft es aus der Luft. „Dein Freund, der Büffel, schickt uns. Wir bringen dich auf den Gipfel.“

Tobe springt auf. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er froh, dass jemand ihm helfen will. Und wie er die Vögel da so flattern sieht und zwitschern hört, fühlt er sich plötzlich so leicht wie eine Feder.

„Hak dich ein!“, ruft einer der Vögel.

Und links und rechts und vorne und hinten und obendrüber fliegen die Vögel um Tobe herum. Sie machen so viel Wind, dass er den Boden kaum noch berühren kann. Tobe fühlt sich wie auf Wolken: Um ihn herum nur Weiß und die Wolken so nah, dass er sie beinahe anfassen kann.

Er ist angekommen! „Ich hab’s geschafft!“, brüllt Tobe, so laut er kann. „Ich bin ein Löwe, also geb ich nicht auf!“ „Geht doch!“, rufen die Vögel.

Ende der Geschichte! Schlaf schön!

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