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Im Reich des Riesenkaninchens

Eine Geschichte von Anne Rummenie mit Illustrationen von Julia Christians, erschienen im Oetinger Verlag.

„Ihr kriegt mich nicht, ihr kriegt mich nicht!“, ruft Nini ihren Geschwistern zu.

Die vier Kaninchenkinder toben lachend über die Wiese am Waldrand, und ihr großer Bruder Rempel ist Nini schon dicht auf den Fersen. Aber sie legt noch einen Zahn zu und schlägt dann blitzschnell einen Haken. Dadurch kann sie Rempel abhängen und erreicht als Erste den kleinen Hügel. „Nini, du bist schon wieder die Siegerin“, verkündet Nickel anerkennend. Nini ist zwar die Kleinste, aber sie kann schneller rennen als alle anderen.

„Na los, nächste Runde“, ruft Rempel und will schon lossprinten, da unterbricht ihn Pebbel, die Älteste. „Lasst uns doch mal etwas anderes machen als immer nur Wettlaufen“, schlägt sie vor. Und mit gesenkter Stimme fährt sie fort: „Ich hätte Lust, in dem unheimlichen Bau im Wald Verstecken zu spielen!“

Rempel, Nickel und Nini ziehen hörbar die Luft ein. Der unheimliche Bau ist ein Ort, vor dem fast alle Kaninchen Angst haben. Es geht die Geschichte herum, dass vor langer Zeit ein Riesenkaninchen diese Höhle gebuddelt hat und noch immer tief im Innern haust. Nini hat bisher immer einen großen Bogen darum gemacht. Viel zu gruselig!

Auch jetzt würde sie lieber weiter auf der Wiese spielen, aber ihre Geschwister hoppeln bereits Richtung Wald. Nini folgt ihnen zögernd.

Am Höhleneingang angekommen, blicken die Kaninchenkinder sich neugierig um. Auf dem sandigen Waldboden entdecken sie Pfotenspuren. Nini fragt sich, wer die wohl hier hinterlassen hat.

„Also los!“, ruft Pebbel. „Wer als Letztes noch hier draußen hockt, muss die anderen suchen!“ Und mit diesen Worten verschwindet sie in dem Loch.

Rempel und Nickel laufen hinterher, und ehe sie sich versieht, ist Nini allein vor der Höhle. Sie nimmt all ihren Mut zusammen und hoppelt hinein.

Der Tunnel ist dunkel und sehr groß. Außerdem riecht es eigenartig – nach Moos und kühler Erde, aber auch noch nach etwas anderem. Nini schnuppert interessiert und nimmt den Duft eines Tieres wahr. Seltsam! Das ist kein Kaninchengeruch, da ist sie sich ziemlich sicher. Ob Riesenkaninchen anders riechen als normale Kaninchen?

Hinter der ersten Biegung prallt sie auf etwas Weiches, Warmes. Was war das?

Ach, es ist nur Nickel! „Ich hab mich nicht weiter reingetraut“, gibt er kleinlaut zu. Dann läuft er schnell zurück ins Freie, um draußen auf die anderen zu warten.

Tapfer dringt Nini weiter in das unterirdische Labyrinth vor. Nach ein paar Metern gabelt sich der Weg, und sie muss sich entscheiden, welchen der beiden Gänge sie nehmen will. Sie lauscht und schnuppert, um herauszufinden, wo sich ihre Geschwister versteckt haben könnten. Schließlich entscheidet sie sich für den rechten Gang und gelangt in eine kleine Höhle. Die ist mit Laub und Moos ausgepolstert und wirkt eigentlich ganz gemütlich. Nini hat das Gefühl, nicht allein hier zu sein. Ein vertrauter Geruch steigt ihr in die Nase, und dann entdeckt sie auch schon Rempel hinter einem Erdhaufen.

„Du hast mich gefunden!“, ruft ihr Bruder erleichtert und verschwindet in die Richtung, aus der sie gekommen sind. Er ist offenbar froh, dass das Spiel für ihn zu Ende ist. Jetzt fehlt nur noch Pebbel!

Im hinteren Teil der Höhle führt ein Tunnel noch weiter in den Bau hinein. Es geht um mehrere Kurven, manchmal leicht bergauf, dann wieder weiter hinunter.

„Pebbel?“, ruft Nini. „Pebbel, wo bist du?“ Aber niemand antwortet.

Plötzlich hört Nini seltsame Geräusche, eine Art Schnaufen und Scharren. Ob das das Riesenkaninchen ist? Am liebsten würde sie umkehren, aber dann denkt sie an Pebbel. Sie muss ihre Schwester finden!

Stück für Stück hoppelt Nini weiter, bis sie eine große Höhle erreicht. An der Decke befindet sich ein schmaler Lüftungsschacht nach oben, durch den ein wenig Licht hereinfällt. Mit klopfendem Herzen bleibt Nini stehen und lauscht angestrengt. Da! Da ist schon wieder dieses merkwürdige Schnaufen. Und im hinteren Teil der Höhle scheint sich jemand zu bewegen – jemand sehr Großes!

Jetzt taucht im Lichtkegel des Lüftungsschachtes eine Schnauze auf. Die Schnauze gehört zu einem weiß-schwarzgestreiften Gesicht, das Nini freundlich ansieht. „Du bist ja gar kein Riesenkaninchen“, flüstert sie, „du bist ein Dachs!“

„Und du bist ein sehr kluges Kaninchen“, antwortet der Dachs, „und ein mutiges noch dazu! Ich heiße übrigens Beppo. Und du?“

„Nini“, antwortet Nini und starrt den Dachs voller Verwunderung an. „Dann … dann gibt es gar kein Riesenkaninchen?“, fragt sie vorsichtig.

„Nein, das ist nur ein Märchen“, schmunzelt der Dachs. „Oder sehe ICH etwa aus wie ein Kaninchen?“

Nini lacht und schüttelte den Kopf.

Dann erzählt sie Beppo, dass sie mit ihren Geschwistern in seinem Bau Verstecken gespielt hat, und entschuldigt sich für die Störung.

„Ach, Papperlapapp“, erwidert Beppo gutmütig, „ich bekomme gern Besuch.“ Und er fährt fort: „Deine Schwester hat sich übrigens nicht ganz bis hier herunter getraut. Sie hat etwas weiter oben einen Seitenausgang genommen.“

Nini staunt. Woher weiß Beppo das alles?

Der Dachs scheint ihre Gedanken zu erraten und erklärt: „Ich kann zwar nicht besonders gut sehen, aber hören tue ich ausgezeichnet.“

Beppo verrät ihr eine geheime Abkürzung an die Oberfläche, damit sie nicht den ganzen langen Weg zurücklaufen muss. „Besuch mich doch mal wieder, Nini“, sagt er zum Abschied, „dann denken wir uns gemeinsam Geschichten über das Riesenkaninchen aus!“

Diese Idee findet Nini toll. Sie winkt Beppo noch einmal zu, bevor sie sich auf den Weg nach oben zu ihren Geschwistern macht. Mann, werden die Ohren machen!

Waldwissen: Dachsbaue

Dachse haben große unterirdische Höhlensysteme, an denen sie ständig weiterbauen. Dadurch verzweigen sich die Bauten immer mehr – manchmal über Hunderte von Metern. Es gibt mehrere Eingänge an verschiedenen Seiten. Im Innern sind die einzelnen Höhlen durch Tunnel miteinander verbunden.

Seine Wohnkessel polstert der Dachs mit Moos und Laub aus, denn er mag es gerne weich.

Oft wohnen mehrere Dachsfamilien gleichzeitig in einem Bau, und auch andere Tiere ziehen gelegentlich zur Untermiete ein, zum Beispiel Füchse und Kaninchen.

Der Dachs ist ein sehr reinliches Tier, das seinen Bau sauber hält.

Altes Nistmaterial zieht er mit seinen kräftigen Grabklauen heraus, ebenso wie Erde und Sand, wenn er seine Behausung erweitert. Dadurch entsteht vor dem Bau eine sogenannte Dachsrinne.

Auf Toilette geht der Dachs immer außerhalb seines Baus. Tagsüber ruht er in seiner Höhle. In der Dämmerung verlässt er sie, um auf Nahrungssuche zu gehen.

Ende der Geschichte! Hab einen spannenden Tag!

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