Eine Geschichte von Nora Imlau mit Illustrationen von Pe Grigio, erschienen im Carlsen Verlag.
Die Mummel haben heute frei.
„Vielleicht“, denkt das kuschelweiche Mummel, als die Morgensonne durch die Vorhänge blitzt und die kleinen Mummel neben ihm noch friedlich schlafen.
„Vielleicht kann ich heute ja ausnahmsweise mal …“
„Aufstehen!“, kräht da das gelb getupfte Mummel.
„Frühstück!“, ruft das orange.
Und das winzig kleine Minimummel patscht dem kuschelweichen Mummel freudig ins Gesicht. „Papu! Papu!“, ruft es dazu.
Das heißt: Pfannkuchen. Denn die gibt es bei den Mummels morgens, wenn alle frei haben. Mit Marmelade und Puderzucker. Mhhh!
Der feine Duft lockt auch die großen Mummel aus dem Bett: das rosalila Mummel, das grün gescheckte und das coole Mummel.
„Was machen wir denn heute?“, fragt das gelb getupfte Mummel und wippelt so aufgeregt herum, dass über dem Pfannkuchen in seiner Hand eine Puderzuckerwolke aufsteigt.
„Vielleicht einen Ausflug, ja?“
„Oh ja, einen Ausflug!“, rufen die anderen Mummel.
Nur das coole Mummel verdreht die Augen.
Es will lieber zu Hause bleiben. Mit Kopfhörern auf, in seinem Zimmer.
„Soso, einen Ausflug“, brummelt das kuschelweiche Mummel und wischt den klebrig-roten Marmeladenmund des Minimummel sauber.
„Und wohin?“
„Zum Flohmarkt!“
„Zum Schifahren!“
„Ins Weltall!“, rufen die Mummel durcheinander und so laut, dass das Minimummel vor Schreck losweint.
Jetzt ist es noch lauter.
„Seid doch mal ruhig“, ruft da das rosalila Mummel.
„Ich habe nämlich eine Idee!“
„Eine Idee? Was für eine Idee?“, fragen die kleinen Mummel aufgeregt.
„Wir könnten doch“, sagt das rosalila Mummel, „erst mal aus dem Fenster gucken. Wie das Wetter wird. Für den Ausflug.“
„Stimmt!“, sagt das grün gescheckte Mummel. „Wenn die Sonne scheint, können wir auf die Bergspitze klettern. Wenn es schneit, schlittern wir den Berg runter. Und wenn es regnet, gehen wir Pfützenhüpfen!“
„Oh ja, Pfützenhüpfen“, ruft das orange Mummel begeistert.
Alle Mummelkinder flitzen zum Fenster. Dicht an dicht drücken sie ihre Nasen an die Scheibe.
„Und?„, fragt das kuschelweiche Mummel. „Wie sieht es draußen aus?“
„So mittelgrau“, sagt das coole Mummel.
„Keine Sonne, kein Schnee. Nicht mal Regen.“
„Oh“, macht das orange Mummel enttäuscht, und die Unterlippe des grün gescheckten Mummel fängt an zu zittern.
„Keine Sonne, kein Schnee, nicht mal Regen?“, sagt das kuschelweiche Mummel da.
„Klingt nach dem perfekten Wetter - für einen Tag im Hallenbad!“
„Oh, wir gehen schwimmen!“, jubeln die anderen und sausen gleich los, um ihre Sachen zusammenzusuchen: die Schwimmbrille für das grün gescheckte Mummel, die Taucherflossen für das rosalila Mummel, den Schnorchel für das gelb getupfte, Wasserball und Kescher für das orange Mummel und die Schwimmwindeln für das Minimummel.
Nur das coole Mummel macht keine Anstalten, seine Badehose zu holen. Es lädt sich lieber noch eine Folge seiner Lieblingsserie auf sein Smartphone. Fürs Chillen im Liegestuhl.
Das kuschelweiche Mummel holt zwei riesengroße Taschen. „Haben alle ein Badetuch? Und Badelatschen? Und Spängchen für das Zottelfell? Wie sieht es mit Shampoo aus und mit dem Spray, damit das Kämmen nicht weh tut? Wo sind die Schwimmflügelchen für das Minimummel? Und wer hat meinen Bademantel gesehen?“
Die Mummel rennen durchs ganze Haus. Kramen in Schubladen, wühlen in Schränken, forschen in Kisten und tauchen im Wäschekorb.
Endlich sind die Taschen voll.
„Jetzt geht es los!“, ruft das grün gescheckte Mummel aufgeregt.
„Fast“, sagt das kuschelweiche Mummel und holt zwei riesige Rucksäcke, „erst mal brauchen wir Proviant. Schwimmen macht nämlich hungrig und durstig auch!“
Die Mummel flitzen in die Küche und packen alles ein, was sie finden: Joghurt und Zwiebeln und Käse und Karotten, Kekse und Schokolade und Rahmspinat.
Zum Schluss bestreicht das rosalila Mummel die restlichen Pfannkuchen mit Marmelade, rollt sie zusammen, packt sie in eine Box und stopft sie auch noch rein.
Noch zwei Wasserflaschen ins linke Seitenfach, eine Flasche Saft ins rechte – fertig!
„Aber jetzt geht es los!“, ruft das grün gescheckte Mummel.
„Fast“, sagt das kuschelweiche Mummel.
„Jetzt brauchen wir nämlich noch eine weiche Decke. Zum Einmummeln nach dem Baden und zum Draufsitzen am Beckenrand. Und dann noch einen Ring zum Tauchen und ein kleines Spielzeugboot. Den Wasserball müssen wir auch wieder einpacken! Und wo ist überhaupt das gelb getupfte Mummel?“
Das gelb getupfte Mummel steht im Bad in einer Pfütze. Es musste aufs Klo und war vor lauter Aufregung zu spät dran. Jetzt braucht es eine schnelle Dusche und eine kleine Abrubbelei mit dem Handtuch.
Das orange Mummel muss auch noch mal aufs Klo. Und das grün gescheckte. Dann braucht das Minimummel noch ein bisschen Milch.
Und das rosalila Mummel kann seinen zweiten Badelatschen nicht finden.
„Müsst ihr Mummel auch immer alles verbummeln?“, grummelt das kuschelweiche Mummel und kriecht unters Sofa.
Da liegt zum Glück der zweite Schuh.
„Jetzt können wir wirklich los!“, freut sich das rosalila Mummel.
„Ja, jetzt können wir los!“, japst das kuschelweiche Mummel und schwingt das Minimummel auf seinen Rücken. Die Mummel rennen zur Tür. Beladen mit all den Taschen, Rucksäcken, Taucherflossen, Schwimmbrillen, Shampooflaschen und Schnorcheln.
„Halt!“, ruft das coole Mummel.
„Ich hab meine Kopfhörer vergessen. Wartet auf mich!“
Der Weg zum Hallenbad ist zum Glück nicht weit.
„Gleich sind wir da!“, ruft das grün gescheckte Mummel.
„Ich kann schon das flache Dach sehen!“
„Und ich die großen Scheiben!“
„Und ich sehe ein Schild!“
Das rosalila Mummel ist als Erstes da.
Schwungvoll will es für alle die Tür öffnen.
Doch die geht einfach nicht auf. Auch nicht, als das grün gescheckte Mummel beim Ziehen hilft.
Drinnen im Haus ist alles dunkel.
„Nanu, es ist ja zu!“, sagt das grün gescheckte Mummel, und seine Unterlippe fängt schon wieder an zu zittern.
„Klar ist zu“, sagt das coole Mummel.
„Steht ja auch auf dem Schild: Heute geschlossen.“
Das grün gescheckte Mummel packt die Wut: „Geschlossen? Das kann ja wohl nicht sein!“ Empört schleudert es seine Schwimmbrille in einen Busch. Jetzt sieht es aus, als hätte der Busch Augen.
Das orange Mummel weint und das gelb getupfte schreit: „Das ist gemein, gemein, gemein!“
Das orange Mummel hält sich vor Schreck die Ohren zu.
„Hab keine Angst“, flüstert da das rosalila Mummel und nimmt das orange vorsichtig in den Arm. „Die beruhigen sich schon wieder.“
Das kuschelweiche Mummel seufzt und setzt die schweren Taschen ab. Das Minimummel ist auf seinem Rücken eingeschlafen.
„Tja“, sagt das coole Mummel, „wer einen Ausflug machen will, muss eben nicht nur aus dem Fenster gucken, sondern auch ins Internet. Ob das Schwimmbad auch offen hat, nämlich.“
„Und was machen wir jetzt?“, fragt das rosalila Mummel.
„Das kommt drauf an, was wir brauchen“, sagt das kuschelweiche Mummel. „Ich zum Beispiel kriege langsam wieder Hunger.“
„Ich brauche, dass wir ins Schwimmbad gehen!“, schreit das grün gescheckte Mummel.
„Und ich brauche, dass du mal aufhörst, so rumzubrüllen“, sagt das rosalila Mummel.
Das gelb getupfte Mummel nickt eifrig.
„Ich will auch ins Schwimmbad!“, brummelt das orange. „Menno!“
„Ins Schwimmbad gehen ist nicht das, was ihr braucht“, sagt das kuschelweiche Mummel, das auch sehr klug ist. „Ins Schwimmbad gehen ist das, was ihr euch wünscht. Ruhe hingegen ist ein Bedürfnis. Das ist ein Unterschied.“
„Mir egal“, brüllt das grün gescheckte Mummel. „Ich will schwimmen!“
„Ich weiß“, sagt das kuschelweiche Mummel sanft und strubbelt ihm durchs Mummelfell. „Ich habe mich auch darauf gefreut. Aber nur, weil wir gerade nicht haben können, was wir wollen, können wir trotzdem alle bekommen, was wir brauchen. Und zwar ohne zu schreien.“
„Hä?„, sagt das coole Mummel. „Ich versteh nur Bahnhof.“
„Check doch mal mit deinem Smartphone, ob es in der Nähe eine große Wiese gibt. Vielleicht mit einem kleinen Bach. Und einem Baum zum Anlehnen“, sagt das kuschelweiche Mummel zum coolen Mummel.
Das coole Mummel tippt und guckt und wischt und drückt.
Die kleinen Mummel schauen ihm gespannt zu. Das grün gescheckte Mummel grummelt nur noch ganz leise, und das orange Mummel weint nur noch ein bisschen.
„Da hinten!“, sagt das coole Mummel plötzlich. „Da gibt es so eine Wiese.“
Gemeinsam spazieren die Mummel los zur Wiese.
Als sie angekommen sind, breitet das kuschelweiche Mummel die große Mummeldecke aus. Dann drapiert es die Badetücher drumherum, sodass ein weicher bunter Flickenteppich entsteht.
Das größte Handtuch wird das Buffet, voller Brot und Käse, Zwiebeln und Rahmspinat und leckerer Pfannkuchenröllchen mit Marmeladenfüllung.
Das Minimummel ist noch mal eingeschlafen.
Das orange Mummel lacht wieder.
Das grün gescheckte ist nicht mehr wütend.
Und das gelb getupfte wirft sich fröhlich auf den Bauch des kuschelweichen Mummel. Das rosalila Mummel mampft genussvoll den ersten Pfannkuchen.
Picknicken ist auch ganz schön. Und auf dem kleinen Bach können das gelb getupfte und das orange Mummel sogar ihr Spielzeugboot fahren lassen.
Das kuschelweiche Mummel lehnt sich an den Baum.
„Ah, das tut gut“, sagt es und schrubbelt sich an der rauen Rinde. „Fast so gut wie Rückenschwimmen.“
Das coole Mummel liegt bäuchlings neben dem Buffet-Handtuch und guckt seine Lieblingsserie.
Das rosalila Mummel und das grün gescheckte spielen Fangen.
Das gelb getupfte Mummel wirft den Wasserball in den Bach, und das orange Mummel holt ihn mit seinem Kescher wieder heraus.
Später spielen sie alle zusammen Schwimmbrillen-Memory und Shampooflaschenweitwurf. Das coole Mummel legt sein Smartphone zur Seite und gewinnt haushoch. Danach sind sie so glücklich, als wären sie tatsächlich im Schwimmbad gewesen. Und genauso nass. Vom Schwitzen.
Als die Mummel müde werden, fragt das kuschelweiche Mummel wie jeden Abend: „Was war heute nicht so schön, was mittelschön und was war gut?“
„Dass das Schwimmbad zu war, war gemein“, sagt das grün gescheckte Mummel.
„Aber auf der Wiese war es schön“, sagt das orange.
„Es war gut, dass das coole Mummel sein Smartphone dabeihatte“, sagt das rosalila Mummel. „Und dass wir trotzdem einen Ausflug gemacht haben, nur anders.“
„Es war gut, dass da ein Bach war“, sagt das gelb getupfte Mummel. „Aber es war vielleicht nicht so gut, dass das Wasser darin so kalt war.“
„Es war cool, dass ich im Wettwerfen gewonnen habe“, sagt das coole Mummel.
„Und ich fand es toll, dass ich meinen Rücken schrubbeln konnte“, sagt das kuschelweiche Mummel.
Das Minimummel lacht.
„Und was hat dir heute am meisten Freude gemacht?“, fragt das kuschelweiche Mummel.
„Papu“, sagt das Minimummel. Und das heißt: Pfannkuchen.
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